Die Schützentradition in Philippsreut
Sucht man in Archiven und alten Chroniken nach Hinweisen und Einträgen zum Leben der ersten Siedler und ihrer Nachkommen in Philippsreut, so findet man über lange Zeiträume hinweg nichts anderes als einen schier unendlich anmutenden Reigen von Geburt, Heirat und Sterben, von Armut, Entbehrung und Kampf ums tägliche Brot.
Erst in der Mitte der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts stößt man auf erste Hinweise über ein organisiertes gesellschaftliches Leben. Dass die Anfänge jenes heute in so breiter Vielfalt greifbaren Vereinslebens im Schützenwesen liegen, mag vielleicht auf den ersten Blick etwas verwundern. Die durch die geographische Lage unserer Heimatgemeinde bedingte Präsenz von Forst und Grenze haben den Anfängen des Schützenwesens zu einem wichtigen Auftrieb verholfen. Einer Mitgliederauflistung der im Jahre 1865 gegründeten „Feuerschützengesellschaft zu Kleinphilippsreut“ ist zu entnehmen, dass elf der insgesamt 29 Mitglieder im königlich-bayerischen Fortbertrieb tätig waren und weitere fünf Mitglieder der Zollverwaltung angehörten. Von der genannten Schützengesellschaft ist uns eine Gründungsniederschrift erhalten, „aufgenommen im Schulhaus zu Kl[einphilippsreut] am 7. Juli 1865 Vorthelschießen zu Kl[einphilippsreut] betreffend“. Zweck dieser Schützengesellschaft war allen voran die Fertigkeit beim Gebrauch der Schusswaffe und damit die Heranbildung tüchtiger Schützen. Um dem Verein beitreten zu können, bedurfte es der uneingeschränkten Selbständigkeit des Mitglieds sowie eines einwandfreien Rufes. Im genannten Protokoll bittet Johann Kellermann¹ , Wirt zu Kleinphilippsreut, bei der Gemeindeverwaltung um die Erlaubnis, „unter Leitung der H.H. Revierförster Riedl und Holzhändlers Reiß von Landstrasse das Jahr hindurch ein Vorthelschießen auf [s]einer Schießstätte“ halten zu dürfen. Der Verein, dem Männer von Eleonorenhain in Böhmen bis Freyung angehörten, dürfte etwas über 20 Jahre lang bestanden haben. Der letzte Hinweis auf das Vereinsbestehen fällt ins Jahr 1883. Hier wurde ein neuer Vorstand gewählt und eine Statutenänderung beantragt.
Darüber hinaus bezeugen Quellen, dass etwa zur selben Zeit im damaligen Kleinphilippsreut ein weiterer Schützenverein existierte, die „Zimmer-Stutzen-Schützen-Gesellschaft Kleinphilippsreut pro 1878/79“. Die Vereinsstatuten vom 30. November 1878 wurden mit folgenden Worten eingeleitet: „Wie in vielen anderen Orten haben sich auch in Kleinphilippsreut mehrere Schützenfreunde dahin geeinigt, eine sogenannte Zimmerstutzen-Schützengesellschaft zu gründen und im Laufe der Wintermonate einmal in der Woche im Moritzschen Gasthause² mit Zimmerstutzenschießen sich zu vergnügen.“
Auch wenn die Zeugnisse aus der Vergangenheit keine dichteren Hinweise auf das frühe Schützenwesen in der Gemeinde Philippsreut geben können, so lassen sich doch aus den spärlichen Überlieferungen einige interessante Rückschlüsse ziehen. Vereins- und Schießlokal war bereits im 19. Jahrhundert das Gasthaus zu Kleinphilippsreut, heute Gasthaus „ Zum Pfenniggeiger“, wo damals bereits die schießsportlichen Voraussetzungen gegeben waren und wo auch heute noch die Schützengilde Philippsreut ihren sportlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten nachgeht. Anders als heute aber war das Schützenwesen eine reine Domäne erwachsener und angesehener Männer. Die Vereinsmitglieder, wie bereits erwähnt vielfach Zöllner oder Förster, aber auch Privatiere, Kaufleute oder Handwerksmeister, trafen sich regelmäßig, vor allem während der langen Wintermonate, zum einen wohl der Gesellschaftlichkeit halber, zum anderen aber auch um dem sportlichen Vergnügen nachzugehen. Bei den sog. Zimmerstutzen handelt es sich um eine Traditionswaffe, mit der im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts landesweit zur Unterhaltung, aber auch sportlich geschossen wurde. Der Lauf dieser Zimmerstutzen-Gewehre war bedingt durch die Art der Munition nur etwa 20 cm lang. Das heute übliche Sportschießen mit dem Luftgewehr kam erst zur Mitte des 20. Jahrhunderts auf.
Die Gründungsväter der Schützengilde Philippsreut konnten somit bei der Vereinsgründung 1959 an eine lange Schützentradition anknüpfen. Neben der Schützengilde Philippsreut, der heute etwa 100 Mitglieder angehören und die sich zu den aktivsten Vereinen in der Gemeinde zählen darf, gibt es noch zwei weitere Schützenvereine in der Gemeinde Philippsreut: der 1964 gegründete Schützenverein „Edelweiß Alm“ in Mitterfirmiansreut und der in Hinterfirmiansreut beheimatete, 1952 gegründete „Schützenverein Schmelz“. Seit 1989 ist die Schützengilde Philippsreut Patenverein des Schützenvereins Edelweiß Alm Mitterfirmiansreut, auch zu den Schmelzer Schützen werden freundschaftliche Beziehungen gepflegt.
Das Philippsreuter Dorfwirtshauses, in dem schon im 19. Jahrhundert eine Schießstätte untergebracht war (Aufnahme um 1907).
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¹ Johann Kellermann war Gastwirt in Philippsreut von 1846 bis 1868.
² Wilhelm und Maria Moritz hatten 1878 das Philippsreuter Gasthaus käuflich erworben; das Anwesen wurde aber bereits 1879 von Brauereibesitzer Nepomuk Lang aus Freyung ersteigert.